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Das Franzosengrab bei Lachendorf

Teil 1 (auch veröffentlicht im Sachsenspiegel der Celleschen Zeitung am 05.08.2023)

Art.-Nr. oder Buch-ISBN : Frz-Grab-01



Alle Fakten sind belegt, Nachweise im Sachenspiegel-Artikel in der Celleschen Zeitung vom 05.08.2023

auf Anfrage
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Das Franzosengrab bei Lachendorf - Teil 1

Beim Gockenholzer Kreisel, etwa auf Höhe des Bahnüberganges, mag sie manchem
Durchreisenden aufgefallen sein, Ortskundige kennen sie ganz sicher: die kleine
Baumgruppe auf einem freien Feld.

In jugendlichen Jahren wurde ich gefragt „Schau mal, weißt du, was das ist? Das ist das
Franzosengrab. Dort liegen Franzosen begraben, welche aufgehängt worden sind.“ Seitdem
ist mir dieser Ort als „das Franzosengrab“ bekannt.

Nun bekam ich das „Heimatbuch für den Landkreis Celle – Der Speicher“ aus dem Jahr 1930
in die Hände. Viele Autoren haben an diesem Buch mitgewirkt. Sogar das Franzosengrab
wird hier erwähnt und Georg Breling, seinerzeit Rektor an der Mittelschule in Celle, schreibt
darüber folgendes:

„Als Ferdinand den Befehl zum Rückzuge gegeben hatte, war der Offizier v. Wettern, der mit
40 Mann auf dem linken Flügel stand, vergessen worden; doch entging er den Franzosen
durch seine entschlossene Haltung. Da die Franzosen von Schwachhausen aus nordwärts
vorstießen, ist es möglich, daß unweit des Ortes Gockenholz ein Gefecht mit jenen
zurückgebliebenen Kriegern stattfand, und daß das ‚Franzosengrab‘ in der Gemarkung
Gockenholz mit diesen Kämpfen in Verbindung steht. Das mit Fuhren bewachsene Grab, in
dem französische Offiziere und Mannschaften ruhen sollen, liegt der Gockenholzer
Gastwirtschaft gegenüber, in der Nähe des Bahnüberganges über die Straße Celle –
Beedenbostel.“

Diese Darstellung widerspricht vollständig der mir erzählten Namensgrundlage.

Ich begab mich auf Spurensuche, schnell wurde ich fündig: in Thüringen bei Horsmar
(Landkreis Unstrut-Hainrich) gab es einst drei Franzoseneichen. Den Beinamen Franzoseneichen
erhielten diese Eichen aufgrund eines dort stattgefundenen Gefechtes zwischen französischen
und preußischen Truppen am 12. September 1761. Die drei Eichen wurden auf die Grabstelle
von drei gefallenen Französischen Offizieren gepflanzt.

Auf dem Lachendorfer Franzosengrab steht eine alte mächtige Eiche neben einigen deutlich
jüngeren Bäumen, welche vermutlich von selbst aufgelaufen sind. Die Darstellung
„Franzosengrab als Grabstätte für französische Soldaten während des 7-jährigen Krieges“
erscheint damit nachvollziehbar.
 
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Aber war das denn wirklich so? Georg Breling stützt seine Ausführungen auf einen Aufsatz
von Dr. Karl Nöldeke. Darin heißt es:

„Selbst Nachzügler der verbündeten Armee, so der Offizier von Wettern, der mit 40 Mann
beim Abzuge vergessen war, entgingen der Verfolgung der Franzosen durch entschlossene
Haltung. Nur wenige Nachzügler wurden von den Franzosen eingebracht.“

Bei genauem Lesen fällt auf, dass Nöldeke die von Breling genannte konkrete Position des
Offiziers von Wettern, nämlich „auf dem linken Flügel“, nicht anspricht.

Es muss also tief in die zeitgenössischen Quellen eingestiegen werden, um die Position des
Offiziers von Wettern festzustellen bzw. um generell die Darstellung im Heimatbuch „Der
Speicher“ verifizieren zu können.
 
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In einer zeitgenössischen Quelle ist (für den 19.12.1757) zu lesen:

„(…) das Hannöversche Regiment Behr [blieb] zu Lachtehausen, nachdem es die Brücken
über die Lachte abgebrochen, die Husaren mehr links gegen Lachtendorf, von wo sie die
Brücke von Schwachhausen und Oppershausen im Gesichte hatten, und endlich ein
Detachement Jäger zu Fuss und zu Pferde zu Klein-Heelen.“

Hier ist also tatsächlich „links gegen Lachtendorf“ vermerkt, was gleichbedeutend ist mit
„linker Flügel“.

Die in Lachendorf stationierten Husaren wurden sodann am 20./22. Dezember 1757 durch
weitere Husaren verstärkt.

Sollte sich der besagte Offizier von Wettern also in Lachendorf befunden haben, muss er
eine Einheit von Husaren befehligt haben. Mit seinen Reitern muss er dann entsprechend
der Schilderung von Georg Breling bzw. Karl Nöldeke während des Rückzuges in der Nähe
des heutigen Franzosengrabes in ein Gefecht mit französischen Soldaten geraten sein.
 
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Bei der Suche nach dem vollständigen Namen des „Offiziers von Wettern“ stieß ich auf eine
weitere zeitgenössische Quelle, welche vom Rückzug berichtet und diese geht detailliert auf
die damaligen Geschehnisse ein:

„Man hatte auf dem Marsch nichts vom Feinde weder gesehen noch gehört; ausgenommen
einen Infanterie-Posten von 30 Mann, der entweder gar nicht oder zu späte zurückgerufen
worden war. Der junge commandirende Officier, Fähndrich von Werther, wurde also auf
seiner späteren Retraite von einigen feindlichen Trupps Cavallerie eingeholet und zum
öfteren chargiret, allein er hatte sein Feuer so gut zu geben, und mit solcher Fassung zu
marschiren gewusst, dass er sein Detachement gegen den Abend wieder zur Armee
brachte.“

Nach dieser Schilderung ist die korrekte Namensschreibweise offenbar „von Werther“. Die
Suche nach diesem Namen führte dann auch prompt zu einem Ergebnis:
Georg Ehrenreich von Werther

Entsprechend dem Wikipedia-Eintrag zu Georg Ehrenreich von Werther wurde dieser im
Jahr 1756 Standartenjunker im preußischen Kürassier Regiment Nr. 4 und nahm im
Siebenjährigen Krieg am 05. Dezember 1757 an der bekannten Schlacht bei Leuthen in
Schlesien teil.

Unstimmig erscheint es aber, dass nach der zum Wikipedia-Eintrag genannten Quelle
Georg Ehrenreich von Werther danach, nämlich am 10.02.1758, Kadett wurde. Als ein
Kadett wird ein Zögling einer „militärischen Erziehungsanstalt zur Heranbildung von
Offiziersaspiranten für die Armee“ bezeichnet. Aber: Georg Ehrenreich von Werther war im
Jahr 1756 Fahnenjunker und damit bereits ranghöher als ein Kadett.

Ein Blick in die zum Wikipedia-Eintrag benannte Quelle zeigt, dass Georg Ehrenreich von
Werther am 10.02.1758 nicht, wie bei Wikipedia angegeben, ein Kadett wurde, sondern zum
„Kornett“ befördert wurde. Ein Kornett ist jedoch kein Kadett. Als ein Kornett wurde der
jüngste Offizier einer Eskadron bezeichnet, welcher die Standarte trug. Merke:
Quellenangaben immer gegenprüfen und insbesondere Wikipedia-Einträge niemals
ungeprüft übernehmen.

Da nach der Schlacht bei Leuthen die alliierte Armee auf Geheiß von Friedrich II. („der
Große“) von Herzog Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg gegen die französischen
Truppen geführt werden sollte und aber das eigene Heer von Hannöverschen, Hessischen
und Braunschweigischen Truppen vorwiegend aus Fußvolk und verhältnismäßig wenig
Reiterei bestand, gab Friedrich II. einige Regimenter der preußischen Kavallerie zu deren
Unterstützung frei.

Also wäre es möglich, dass Georg Ehrenreich von Werther im Anschluss an der Schlacht
von Leuten Ende 1757 unter Befehl von Herzog Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg vor
Celle stand und er der „Offizier von Wettern“ war.
 
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Nach den Angaben in der zeitgenössischen Quelle handelte es sich jedoch beim Offizier von
Werther um einen Offizier der Infanterie. Demnach kann es einerseits nicht Georg
Ehrenreich von Werther gewesen sein, da dieser in einem preußischen Kürassier Regiment,
also bei der Reiterei, diente. Andererseits kann sich der „junge commandirende Officier,
Fähndrich von Werther“ nicht in Lachendorf aufgehalten haben, weil hier nur „die Husaren“
und keine Infanterie Stellung bezogen hatten.
 
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Eine weitere zeitgenössische Quelle wurde entdeckt, in welcher (aus Sicht der französischen
Truppen!) die Geschehnisse sehr detailliert geschildert werden (stark gekürzt die
wesentlichen Ereignisse):

„Unterdessen (…) sollte (…) bey der Schäferey=brücke die Aller paßiren, und einen
verstellten Angrif10 an diesem Ort, nahe an Großheim und Kleinheim, thun. Zu gleicher Zeit
sollte auch der Herr von Auvet mit 7. Battaillons von Hennegau, 100. Hussaren und 6. Canonen
aus der Vorstadt von Celle aufbrechen, um gleichfalls einen verstellten Angrif zu thun, welcher
verstärket werden sollte, wann der Fortgang der anderen diesen wichtiger machen sollte.

Die Brigade (…) wurde (…) beorderet und bestimmet, (…) eine andere Operation unweit
Lachtenhausen vorzunehmen, und der Rest der Armee sollte nach Offensee und
Schwachenhausen gehen, und daselbst 2. Linien formiren. (…) Die Trupen der 2ten Linie
(…) waren beorderet, die Brücken zu schlagen, (…) unter dessen, daß die erste Linie am
Ufer der Aller in Bataille zwischen Offensee und Schwachenhausen stehen bleiben sollte.
Da alle Dispositionen den Ausgang hatten, den man von einer solchen sewol vereinigten
Operationen erwarten konnte; so ware die Armee im Stande, des Morgens um 8. Uhr
aufzubrechen.

Um Mitternacht brach der Marschall von Richelieu mit dem Etat=major nach
Schwachenhausen auf, und erfuhr bey dem Anbruch des Tages, daß die Attaquen des
linken Flügels nur sehr wenig Widerstand bey ihrem Aufbruch gefunden hatten, und bis in
das feindliche Lager gedrungen waren, welches man verlassen gefunden: dann der Feind
hatte es während der Nacht verlassen, und seinen Zurück=zug durch verschiedene
Bewegungen angezeiget, die man ihn von der Seite von Winsen hatte machen sehen.
Sobald der Marschall diese Nachricht erhalten hatte, so befahl er, daß alle Detaschements,
soviel die starken Strapazen des vorigen Tages und die Strenge des Wetters erlaubeten,
marschiren, und den Feind verfolgen sollten. Wir haben bis jetzo 590. Gefangene gemacht,
und alle die man auf ihrer übereilten Flucht erreichen könnte. Wir haben nicht mehr als
ungefähr 20. Mann, verloren.“
 
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„Bei Anbruch des Tages“, d.h. dem 25. Dezember, war es also so, dass allein „die Attaquen
des linken Flügels“ der französischen Truppen zur Ausführung gebracht wurden. Wenn in
diesem Zusammenhang von „nur sehr wenig Widerstand“ die Rede ist, muss dieser
erwähnte Widerstand beim „verstellten Angriff (…), nahe an Großheim und Kleinheim“
aufgetreten sein (gemeint sind die heutigen Celler Ortsteile Groß- und Klein-Hehlen), wobei
dort ca. 20 französische Soldaten zu Tode kamen. Groß- und Klein-Hehlen liegen vom
Franzosengrab mit seiner heute stattlichen Eiche jedoch zu weit entfernt, als dass dieses
eine Gräberstelle für diese Gefallenen sein könnte.
 
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Recherche vor Ort

Eine genaue Betrachtung der auf dem Franzosengrab befindlichen Eiche zeigt, dass das
Alter dieser Eiche nur auf etwa 150 Jahre geschätzt werden kann.

Rechnet man um diese Jahre zurück, so gelangt man ungefähr in die Jahre 1870/71 und
damit zum Französisch-Deutschen Krieg.

Bis Mitte Februar 1871 (der Krieg endete offiziell am 10.05.1871) wurden 11.860
französische Offiziere und 371.981 Mann nach Deutschland gebracht und interniert; es
entstanden (erstmals in der Geschichte) rund 200 unterschiedlich große Gefangenenlager.

Häufig waren die Gefangenen verwundet und völlig entkräftet, wodurch sich sich in den
Lagern schnell Krankheiten wie Typhus und Ruhr ausbreiten konnten.

Damit erscheint es als möglich, dass das Franzosengrab die letzte Ruhestätte von in
Gefangenschaft verstorbenen französischen Kriegsgefangenen des Krieges 1870/71 ist und
als Markierung dafür die (zwischenzeitlich stattlich herangewachsene) Eiche gepflanzt
wurde.

 
- Ende Teil 1 -

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