Die Geschichte der Stereoskopie - Kurzfassung
Die Stereoskopie war hinsichtlich Fotografien das erste Massenmedium überhaupt. Erstaunlich ist es dabei, dass die Geschichte der Stereoskopie zu einer Zeit begann, in welcher die Möglichkeit einer Fotografie noch gar nicht erfunden worden war, und zwar in den 1830er Jahren, als es gelang, künstliche räumliche Eindrücke zu erzeugen. Gelungen ist dies mit einem Spiegelstereoskop und Zeichnungen von geometrischen Körpern.
Als Unterhaltungsmedium begann der damalige Siegeszug der Stereoskopie ab etwa 1850, insbesondere aufgrund der Möglichkeit der Herstellung von handlichen und kostengünstigen Stereoskopen, also Stereobild-Betrachtungsgeräten.
Die 50 Jahre währende Zeitepoche von 1860 bis 1910 war vermutlich die stärkste und am längsten andauernde Blütezeit, in welcher Stereo-Fotografien diejenige Bedeutung zugemessen werden kann wie heutzutage dem Fernsehen.
Das Prinzip der Stereoskopie ist dabei ganz einfach: es orientiert sich an der menschlichen Wahrnehmung. Die Linsen eines Stereoskopes sorgen dafür, dass das rechte Auge nur das rechte Bild zu sehen bekommt und dementsprechend das linke Auge nur das linke Bild. Das Gehirn lässt diese beiden Bilder dann miteinander verschmelzen. Damit entsteht ein räumlicher Eindruck von Tiefe. An diesem Prinzip hat sich auch bei den heutigen modernen 3D-Medien nichts geändert.
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Für Deutschland war die in Berlin-Steglitz ansässige Neue Photographische Gesellschaft der große Verlag, welcher die Bilderkarten massenweise und weltweit vertrieb.
Während der interessanten Stunden im Familienkreis unterhielt man sich seinerzeit mit hiesigen Landschafts- und Städtebildern oder mit Darstellungen von fernen Ländern. So wurden fremde Kulturen den Erwachsenen näher gebracht und für die Kinder wurden eigens Märchenszenen bereit gehalten.
Einen nochmaligen Aufschwung von Stereo-Fotografien gab es in Deutschland ab Mitte der 1930er Jahren mit dem Verlag von Erich Dreyer, in welchem Max Wendt das "Olympia-Raumbild-Album 1936" mit 160 Seiten mit 77 Anaglyphenbildern für Rot-Blau-Brillen herausgab.
Noch bekannter wurde der Raumbild-Verlag von Otto Schönstein, welcher beispielsweise im Jahr 1935 mit "Venedig, ein Raumerlebnis" (20 Bildtafeln, 107 Seiten Text von Kurt Lothar Tank und 60 Raumbilder mit Stereobetrachter) ein erstes umfangreiches Buch auf den Markt brachte. Weiter zu nennen sind die zivil gehaltenen Bücher "Aus der Lebensgemeinschaft des Waldes" (1939) mit 12 Abbildungen, 119-seitigem Text von Dr. Kurt Diederich und 150 Stereo-/Raumbild-Aufnahmen mit beigelegtem Stereobetrachter sowie für das Jahr 1943 das Raumbildalbum "Das hunderttürmige Prag" mit 8 Bildtafeln und 117 Seiten Text von Hans Felix Zimmermann, dazu 100 Raumbilder und Stereobetrachter. Mit "Nürnberg" und "Lourdes" mit 60 bzw. 75 Raumbildern erschienen im Jahr 1949 die bekanntesten letzten großen Buchwerke aus dem Schönstein-Verlag.
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Die Verwandlung einer Stereo-Fotografie in eine dreidimensionale Welt ist nach wie vor faszinierend. So manches Foto-Motiv wirkt räumlich gesehen sogar lebendig und überhaupt: Stereo-Fotografien sind ungleich detailreicher, als es die üblichen zweidimensionalen Fotos sein können.
Gab es früher die stereoskopischen Fotos nur in schwarz-weiß oder handkoloriert, so bietet die Stereoskopie durch das Aufkommen des feinkörnigen Farbfilms einen realistischen Eindruck von überzeugender Eindringlichkeit. Das Raumbild ist dem Flachbild, bei welchem nur eine Illusion eines Raumes gegeben werden kann, überlegen. So hat das Raumbild und insbesondere das Farbraumbild stets begeisterte Anhänger gefunden.
Aufgrund der mühsamen Teilbildmontage scheute aber die große Masse von Amateuren und Berufsfotografen den Einstieg in die Stereoskopie, "obwohl ein gutes Raumbild immer wieder ihr helles Entzücken hervorrief" (Dr. Werner Pietsch, 1955).